Arnold war froh, dass die Menschen endlich eine Katzenklappe installiert hatten. So konnte er, zumindest nachts, unabhängig seinen Geschäften nachgehen. Es war Dienstag, das hiess, zuerst der Spaziergängerin mit dem Mops einen Schrecken einjagen, indem er entweder vom Zaun runterspringt oder sie mit seinen Augen passiv aggressiv anleuchtet – das hatte er noch nicht entschieden – und später der Nachbarskatze ein Lied singen. Arnold leckte sich gerade zufrieden die Schulter, als er plötzlich etwas ins Gebüsch des Nachbars fallen – nein, landen – hörte. Arnold zog seine Zunge, die ihm bis jetzt noch zur Schnauze raushing, ruckartig ein, trabte über den Rasen und sprang lautlos über den Zaun, genau hinter den Strauch, wo er das Geräusch vermutete.
Er hatte in seinem Leben schon vieles gesehen: Wie die Kinder in seinem Haus sein Futter probierten und der Fuchs aus dem Wald dafür die Windeln der Kinder, wenn der Abfall über Nacht draussen stand. Wie der Nachbar die Jungen der Kätzin ertränkte und diese dann tröstend streichelte. Und viel zu viel Menschensex. Wieso sie absichtlich so einen anstrengenden Sport daraus machten – Arnold wusste es nicht. Aber was er jetzt sah, war auch für einen zehnjährigen Kater neu. Hinter dem Gebüsch stand eine Kugel und daraus kletterte Gerade ein Wesen, das gänzlich aus UV-Strahlen bestand.
«Hallo», sagte das Wesen. «Bin ich hier richtig auf der Erde?»
«Ja», sagte Arnold.
«Und du bist demnach ein Mensch, richtig?»
Arnold sagte nichts.
«Ich hab’ mir euch irgendwie anders vorgestellt», sagte das Wesen, «grösser und aggressiver. Versteh mich nicht falsch, ich bin froh, dass du friedlich bist. Das wird es um einiges leichter machen, diesen Planeten zu besiedeln.» Arnold gab nicht viel auf die Menschen, aber sie gaben ihm Futter und daher sah er sich gezwungen, ihnen zu helfen.
«Wir freuen uns, dass ihr kommt. Es gibt viel zu tun auf der Erde», sagte er. «Was meinst du damit?», fragte das Wesen.
«Komm mal mit», sagte Arnold und ging zum Strassenrand, wo die Abfallsäcke auf den Morgen warteten. Das Wesen folgte ihm.
Mit einer seiner Krallen schlitzte er einen der Säcke auf, daraus quoll der Müll der letzten zwei Wochen.
«Was ist das?», wollte das Wesen wissen.
Das sind die Probleme von uns Menschen. Bei Weitem nicht alle, aber ein paar davon.
«Und was ist das?», fragte das Wesen und deutete auf den Boden.
«Das ist „Fifty Shades Freed“. Wir Menschen geben sich gegenseitig uns Gefühl, ihre Sexualität spannend machen zu müssen, statt sie wie alle anderen Tiere einfach zu leben.
«Und das?», fragte das Wesen wieder.
«Das ist ein toter Hamster», sagte Arnold. «Gehörte dem Jungen in meinem Haus. Er war letzte Woche im Ferienlager, die Eltern haben vergessen, den Hamster zu füttern und mussten einen neuen kaufen. Zum zweiten Mal. Das Wesen hielt inne. Und zeigte dann auf ein kleines rundes Objekt, das ihm harmlos vorkam.
«Das ist ein Avocado-Stein. Er gehört zu einer Frucht, die hier nicht wächst. Wir Menschen bauen sie auf der anderen Seite der Welt an, transportieren sie dann über die Ozeane, machen Brei daraus und bekommen dafür Komplimente von unseren Gästen. Das nennen wir Menschen „Globalisierung“.»
«Danke, Mensch. Es war schön dich kennenzulernen. Ich werde meinem Volk von euren Problemen erzählen und wir entscheiden dann, wie es mit eurem Planeten weiter geht. Ich melde mich wieder.» Es schwebte zurück zu seiner Kugel und flog in den Nachthimmel. Arnold kannte diese Art der Verabschiedung, so verabschiedeten sich die Menschen in seinem Haus von den Schwiegereltern, den Verwandten und alten Bekannten, die zufällig an ihrem Haus vorbei kamen. Er wusste, dass er das Wesen nicht so schnell wieder sehen würde. Arnold streckte sich zufrieden, ging zurück über den Rasen und setzte sich auf die Mauer am Strassenrand. Gerade rechtzeitig, in der Ferne röchelte der Mops.
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