Treffen sich drei frauenähnliche Geschöpfe in einer Bar

Die Musikboxen knacksen, eine Fliege erschrickt, lässt sich nach ein paar Runden durch die Bar auf einem speckig glänzenden Tisch nieder und reibt sich die Hände. Frau Bürgler kommt durch die Tür. Im Halbdunkeln fragt eine Stimme: «Wie immer?» Sie nickt knapp. «Wie immer». Sie nimmt ihren Drink und setzt sich an den Tresen. Links neben ihr sitzt eine Frau mit langen, blonden Haaren. Von ihrem Mund tropft Blut. Frau Bürgler versucht nicht hinzuschauen. Zu spät. Trocken meint die zweite Frau: «Ihnen würden auch die Mundwinkel bluten, wenn sie den ganzen Nachmittag bei einem euphorischen Teenager verbracht hätten.» Sie kratzt mit ihren langen Nägeln einen Tropfen vom Tresen. «Ah, Sie sind Prostituierte?», Frau Bürgler versucht, so neutral wie möglich zu klingen. «Nicht ganz. Ich bin ein Sexroboter, arbeite als Escort. Modell Elena 2, meine Serie ist die beliebteste seit der Erfindung des Internets. Lateinamerikanische Gesichtszüge, europäische Haare und asiatisch gebaut zwischen den Beinen.» Ihre Zähne schlagen unbeholfen gegen das Glas, als sie an ihrem Drink nippt. «Wenn sie ein Roboter sind, wieso bluten sie dann?», fragt Frau Bürgler. «Das wollt ihr doch, oder? Ihr Menschen. Damit ihr euch als Krone der Schöpfung nicht mehr so alleine fühlt.» Elena 2s Blick ist herausfordernd. Frau Bürgler nimmt einen grossen Schluck. Rechts von ihr zwängt sich unterdessen eine dicke Sau an den Tresen. Unter lautem Stöhnen hievt sie sich auf den Barhocker, versucht ihre kurzen Beine übereinanderzuschlagen, scheitert, und bestellt sich dann einen Drink. Elena 2 dreht, etwas mechanisch, den Kopf: «Hallo D 2707. Harter Tag?» D 2707 seufzt. «Ja, heute war ich wieder dran. Und der Bauer wird nicht sanfter mit den Jahren, kann ich Ihnen also sagen, Frau Elena 2.» D 2707 klingt müde. «Und Sie sind?», fragt Frau Bürgler, den Blick mehr auf ihrem Glas als auf der Sau. «Eine Zuchtsau», sagt D 2707. «Ah, spannend», sie nimmt wieder einen grossen Schluck aus ihrem Glas, wobei die Hälfte an ihrem Kinn runterrinnt. «Ist nicht mehr der Job, der er mal war», erzählt Frau D 2707, «Früher hiess Befruchtungstag zumindest noch Spass mit den schönsten Ebern im Stall. Und jetzt…jetzt sitzt mir der Bauer auf den Rücken, hüpft da ein paar Mal rum und befruchtet mich dann mit einem langen Stab», sie klingt unzufrieden, vergräbt die Schnauze in ihrem Drink. «Immerhin war er bei dir lang», lacht Elena 2, verzieht sogleich schmerzverzerrt das Gesicht und tupft sich mit einer Serviette den Mund ab. Eine Weile lang ist es still, ein Eiswürfel zerspringt im Glas von Elena 2. Im Halbdunkeln läuft «Jolene, please don’t take my man.» D 2707 mustert die Frau: «Und wo arbeiten Sie so?» «Im Supermarkt», sagt Frau Bürgler. Sie presst die Lippen zusammen und nickt entschuldigend im Takt der Musik. «An der Kasse? Ich dachte, da seien unterdessen alle durch Roboter ausgetauscht.» Elena 2 macht grosse Augen. Frau Bürgler nickt. «Stimmt. Aber ich stehe daneben und schreite ein, wenn ein Kunde innerhalb von drei Sekunden die richtige Zitrusfrucht nicht findet. Oder, wenn es einen Plastikfigürchen-Engpass an der Kasse gibt». D 2707 nickt anerkennend. «Klingt nach ‘ner Menge Verantwortung. Gut, dass es die Menschen noch gibt.» «Darf ich Sie etwas fragen, Frau Bürgler?», Elena 2 lehnt sich jetzt über ihren Drink nach rechts, kneift die Augen zusammen. «Was wollt ihr Menschen eigentlich noch erreichen?» Frau Bürgler zögert. «Ich denke nicht, dass ich qualifiziert bin, um da Auskunft zu geben», sie klaubt am Ettikett ihrer Flasche. Elena 2 trinkt aus. «Noch ‘ne Runde?», versucht Frau Bürgler das Thema zu wechseln. «Klar doch, wenn Sie bezahlen», meint Elena 2. «Wieso denn ich?» Frau Bürgler lächelt unsicher. «Na, weil wir kein Geld verdienen. Das geht alles direkt an euch Menschen. Aber das ist ja auch richtig so, bei der ganzen Verantwortung.» Elena 2 zwinkert Frau Bürgler zu. Mit einem grossen Schluck leert D 2707 ihr Glas. Elena 2 bestellt triumphierend: «Drei Bloody Marys!» Die Stimme im Halbdunkeln sagt «kommt sofort» und wenige Sekunden später spritzt Tomatensaft auf den Tresen. «Please, don’t take him, just because you can», langsam wird die Musik leiser, dann verstummt sie. Die Boxen knacksen, bevor der nächste Song ertönt. «Cheers!», rufen Elena 2 und D 2707, als ihre Gläser gegen das von Frau Bürgler klirren. Irgendwo erschrickt die Fliege.

 

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